Im zweiten Teil der historischen Dokumentation möchten wir uns etwas ausführlicher mit dem Bahnhof in Nachrodt, den wir ja auf unserer Vereinsanlage nachbauen, beschäftigen.
Das Bild zeigt einen Ausschnitt einer Aufnahme von 1920 -1930. Die Dampflok hat offenbar Ruhe, etwas Rauch steigt aus dem Schornstein auf, Personal ist nicht zu sehen und die Kohlenschippen liegen auf dem Dach des Führerhauses, drinnen wären sie wohl zu sperrig. Die Lok hat eine Allan -Trick Steuerung, dürfte also aus dem 19. Jahrhundert stammen. Die Bauart entspricht der T2 der KPEV. Da an der Lok keinerlei Anschriften zu sehen sind und sie auch auf den Rangiergleisen des Eisen- und Feinblechwerkes der Hüttenwerke Siegerland (Werk Nachrodt) unter Fahrdraht steht, gehe ich davon aus das es sich um die Werkslok handelt, die dann von der schon im Infobrief 17 vorgestellten E-Lok mit Oberleitung ab 1923 abgelöst wurde. Das Werk hat diese Dampf-Lok sicher schon vor dem ersten Weltkrieg gebraucht von der KPEV erworben, da diese Loks aus den 1880er Jahren Leistungsmäßig nicht mehr gebraucht wurden. Auch die Tatsache, dass keine Laternen dran sind sowie das Dampfläutewerk (gab es nicht bei reinen Rangierloks) auf dem Kessel sprechen dafür. Zumindest ist nun etwas klarer, wie die Wagen auf dem umfangreichen Gleisnetz der Hütte bewegt wurden. Das ganze Bild sieht so aus und zeigt weitere Details:
Im Bild unten liegen die Durchgangsgleise, darüber mit schwächerem Profil die Nebengleise, ganz oben der private Anschluss. Die Lok steht vor einem Bunker mit Lade-Greifer.
Gehen wir die Details mal der Reihe nach durch. Als erstes der einsame G-Wagen im Gleisfeld
Diese Dokumentation befasst sich mit der Historie des Bahnhofes in Nachrodt, den wir ja auf unserer Anlage nachbauen und als Gebäude bereits im Maßstab 1:87 bei uns aufgestellt haben. Das Bild zeigt einen Ausschnitt einer Postkarte von Anfang des 20. Jahrhundert. So leer und offen war die Landschaft damals. Da wir uns seit Ende 2012, wo wir uns für Nachrodt entschieden haben, mit diesem Bauwerk und seinen Bahnanlagen beschäftigen, ist es doch mal Zeit das Ergebnis der derzeitigen Recherchen darzustellen. Die neuere Entwicklung war ja bereits immer wieder in der einen oder anderen Ausgabe beleuchtet worden. Aber wie ist er entstanden und wie war die Entwicklung? Das lag bislang alles im Dunkel der Vergangenheit, nur die durch einen Zufall erhaltenen Gleispläne aus alten Zeiten lassen etwas mehr Details zur Anlage selbst erkennen. Aber das Gebäude selbst – Fehlanzeige. Erst ein Zufallsfund beim Blick aus dem Fenster eines Triebwagens der Hessischen Landesbahn – Ich war von Iserlohn auf dem Weg nach Frankfurt – auf der Strecke von Siegen nach Haiger entdeckte ich ein altes Bahnhofsgebäude, das merkwürdig ähnlich aussah wie unser Bahnhof, speziell das halbrunde siloähnliche Treppenhaus war dort an gleicher Stelle. Bei der Rückfahrt nochmal geschaut aber wegen der Dunkelheit nichts mehr erkannt, im Wagen brannte das Licht – da sieht man draußen ja nichts mehr. Dann musste ich zwei Wochen später nochmal die gleiche Strecke fahren, wieder geschaut und diesmal das Handy fertig – schnell zwei Schnappschüsse gemacht, zu Hause die Bilder verglichen – tatsächlich, die Ähnlichkeit war verblüffend. Nun wusste ich ja, dass man sehr viele kleinere Bahngebäude und Stellwerke nach Standardentwürfen häufiger antrifft, scheinbar war das auch hier so ein Fall. Also mal geforscht, welche Station das mal war- so ein heruntergekommenes Gebäude kann keine Haltestelle sein – dachte ich. Nach etwas suchen fand ich dann die Station Dillbrecht. Und siehe da – das Gebäude hat eine Webseite und steht unter Denkmalschutz. Von da ab konnte ich die Geschichte des Nachrodter Bahnhofes Stück für Stück rekonstruieren.
Beginnen wir mit dem Bau der Ruhr Sieg-Strecke. Die Planungen begannen bereits 1855, 1859 wurden dann die ersten Gleise von Hagen ausgehend verlegt, der Zugverkehr erst nur bis Letmathe, dann bis Altena und 1861 schließlich auch bis Siegen aufgenommen. An den Haltestellen, an denen auch Gleisanlagen für den Güterumschlag gebaut wurden, entstanden dem Zeitgeschmack entsprechend recht protzige große Bahnhofsbauten, die Kommunen wetteiferten um die prächtigsten Gebäude, die viel Zierrat an Türen, Fenstern und auch am Dach hatten. Man hatte ja nun mit dem Bahnanschluss das Modernste, was es zu der Zeit gab, das sollte der Fahrgast schon am Bahnhofsgebäude sehen.
So wurde auch in Letmathe und in Altena entsprechend gebaut bzw. erweitert, den die Bahnanlagen wuchsen sehr schnell mit dem wachsenden Verkehr. Aber zwischen den beiden Stationen waren gleich von Anfang an nur zwei wichtige Anschlussgleise, das eine war in Nachrodt für das sogenannte Eisenwerk (später Leichtmetallwerke, dann Reynolds und heute AGN) das sich mit 10.000 Mark damals den Anschluss sicherte und ein weiteres beim Eisenwerk Einsal. Interessantes Detail: Das Werk Nachrodt lag immer auf der anderen Lenneseite, es muss also eine Brücke schon von Anfang an dort gegeben haben, entweder um Wagen zuzustellen oder um das Ladegut zwischen Gleis und Werk zu transportieren. Dies ist noch zu ermitteln.
In Einsal lag das Werk damals wie heute auf der gleichen Lenneseite, wann der Anschluss dort verschwand und wo er lag konnte ich noch nicht ermitteln, im Werk weiß man davon nichts. Der Bahnverkehr brachte jedenfalls erheblichen Aufschwung in die Region. Sowohl die Werke in Nachrodt und Einsal entwickelten sich schnell, in beiden Unternehmen wuchs die Zahl der Beschäftigten rapide an. Das kann man auch aus dem PDF des Kreisarchivs MK entnehmen, es titelt mit „kein schöner Land“ und zeigt wie schnell in Nachrodt Wohngebäude errichtet wurden.
Von der sichtlich ländlichen „Westfälischen Schweiz“, wie man damals sagte, ist heute nichts mehr zu sehen. Die Stadt wollte das dann auch weiter fördern denn viele Arbeiter, die aus Letmathe, der Grüne und der Umgebung kamen mussten zu Fuß zur Arbeit, ÖPNV gab es damals nicht und die Iserlohner Kreisbahn war auch noch nicht entstanden. Auf Bemühen des Direktors W. Peipers vom Eisenwerk Einsal und vieler angesehener Bürger eröffnete die Eisenbahndirektion Elberfeld am 10. September 1875 eine Haltestelle, die 'Station Lennetal Einsal', später Gasthof zum Lennetal, (Bes C. Vormann) Sommerfrische u Luftkurort. Das sah man auf der Letmather Seite des Tunnels in Nachrodt natürlich mit Argwohn weil die Arbeiter nun leichter nach Einsal als nach dem Werk gegenüber von Lasbeck kamen. So wurde weiter bei der Direktion in Elberfeld interveniert.
Nach mehreren vergeblichen Versuchen durch Ehrenamtmann Eduard von Löbbecke wurde 1896 endlich dem Antrag auf Errichtung eines Haltepunktes in Nachrodt von der Eisenbahndirektion Elberfeld stattgegeben. Als Gegenleistung musste die erforderliche Lenne-Brücke durch das Amt Altena errichtet und der Bahn außerdem ein Grundstück zur Errichtung eines Güterbahnhofs kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Das Grundstück wurde kostenlos von der Generaldirektion des Werkes 'Phönix' zur Verfügung gestellt. Die Bahnhofsbrücke wurde am 28. Juni 1900 eingeweiht und der Haltepunkt Nachrodt am 1. November 1900 übergeben. Damit hatte das Kelleramt, wie es damals noch hieß, gleich zwei Haltestellen mit Nachrodt (ab 1907 Stadt) und Einsal.
Wer hat den Bahnhof geplant und erbaut?
Speziell da war die Info aus Dillbrecht hilfreich, denn dort war als Architekt ein Alois Holtmeyer benannt. Zu ihm findet man bei Wikipedia folgendes:
Alois Holtmeyer (* 22. Juni 1872 in Osnabrück; † 2. Februar 1931 in Köln) war ein deutscher Architekt, Baubeamter und Denkmalpfleger. Ab 1900 stand Holtmeyer als Regierungsbaumeister (Assessor) im Staatsdienst und erbaute in dieser Funktion zahlreiche öffentliche Gebäude darunter auch einige bekannte Bahnbauten. Als Landbauinspektor der Hochbauverwaltung des Königlich Preußischen Eisenbahndirektionsbezirks Cassel war er dann überwiegend im Hessischen Raum tätig. Später engagierte er sich besonders im Denkmalschutz. Bei diesen Bauten versuchte Holtmeyer den neuen Grundriss des Eisenbahnempfangsgebäudes mit den überlieferten Formen des Holzbaues in Einklang zu bringen. Bei seinen Bahnhofsneubauten schloss sich Holtmeyer durch Bezug auf regionaltypische Vorbilder mit massigen Baukörperformationen und schweren Mansarddächern der Heimatschutzarchitektur an. Beispiele dieser Baustile sind z.B. das Amtshaus in Nachrodt sowie der Nachrodter Hof. Gerade im Lennetal finden sich besonders viele Gebäude, die diesem Baustile entsprechen und die Stadtbilder z.T. bis heute mitprägen.
Wie sah den der Bahnhof zu der Zeit nach der Erbauung aus?
Da hat das Kreisarchiv in Altena glücklicherweise einige Fotos, Herr Biroth hat sie zur Veröffentlichung hier freigegeben.
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Und hier ein Bild auf den Güterbahnhof um 1935
Im Hintergrund sieht man noch die Brücke des Anschlussgleises über die Lenne. Hiermit beschließe ich nun erst mal die Recherche, weitere Details werden sich bestimmt im Laufe der Zeit noch ermitteln lassen. Hier möchte ich noch die Hoffnung einbringen, das dieses Gebäude erhalten wird als historisch bedeutsames Beispiel für kleinere Bahngebäude, die zumeist schon dem Abbruch zum Opfer gefallen sind. Die Stadt Iserlohn hätte hier mit Letmathe und Nachrodt zwei interessante Gebäude aus der Frühzeit der Bahngeschichte im Randbereich, während im Stadtgebiet selbst alle Bahnbauten komplett verschwunden sind. Ich werde weiter berichten. Einen Dank möchte ich noch aussprechen an das Kreisarchiv in Altena für die Erlaubnis, deren Bilder hier zu zeigen. Wenn auch nicht alles im Internet eingestellt ist, so findet man dort schon einiges zum Thema.