Historisches

Historische Dokumentation zum Bahnhof Nachrodt / Teil 2

Quelle: Bildarchiv Landkreis MK, Altena. Dampflok am Güterbahnhof Nachrodt um ca. 1920-1930

Im zweiten Teil der historischen Dokumentation möchten wir uns etwas ausführlicher mit dem Bahnhof in Nachrodt, den wir ja auf unserer Vereinsanlage nachbauen, beschäftigen.

 

Das Bild zeigt einen Ausschnitt einer Aufnahme von 1920 - 1930. Die Dampflok hat offenbar Ruhe, etwas Rauch steigt aus dem Schornstein auf, Personal ist nicht zu sehen und die Kohlenschippen liegen auf dem Dach des Führerhauses, drinnen wären sie wohl zu sperrig. Die Lok hat eine Allan -Trick Steuerung, dürfte also aus dem 19. Jahrhundert stammen. Die Bauart entsprach der T2 der KPEV. Da an der Lok keinerlei Anschriften zu sehen sind und sie auch auf den Rangiergleisen des Eisen- und Feinblechwerkes der Hüttenwerke Siegerland (Werk Nachrodt) unter Fahrdraht steht, gehe ich davon aus, dass es sich um die Werkslok handelt, die dann von der schon im Infobrief 17 vorgestellten E-Lok mit Oberleitung ab 1923 abgelöst wurde. Das Werk hat diese Dampflok sicher schon vor dem Ersten Weltkrieg gebraucht von der KPEV erworben, da diese Loks aus den 1880er Jahren leistungsmäßig nicht mehr gebraucht wurden. 

 

 

Auch die Tatsache, dass keine Laternen dran sind sowie das Dampfläutewerk (gab es nicht bei reinen Rangierloks) auf dem Kessel sprechen dafür. Zumindest ist nun etwas klarer, wie die Wagen auf dem umfangreichen Gleisnetz der Hütte bewegt wurden. Das ganze Bild sieht so aus und zeigt weitere Details:

 

Im Bild unten liegen die Durchgangsgleise, darüber mit schwächerem Profil die Nebengleise, ganz oben der private Anschluss. Die Lok steht vor einem Bunker mit Lade-Greifer. Der Kohlegreifer kann Kohlen aus O-Wagen in den Bunker entladen. Das dient aber nicht dem Bekohlen der Lok, denn hinter dem Bunker geht eine Seilbahn durch eine Gitterbrücke über die Lenne zu einem der Heizhäuser im Werksgelände. Scheinbar ist aus den Hängeloren schon mal was heruntergefallen, sonst hätte man sicher nicht so eine aufwendige Konstruktion errichtet über die öffentliche Straße, den Stenglingser Weg. Man sieht auch, dass die Fahrdrahtmasten sicher von einem Ausstatter für Straßenbahnen stammen, kein Vergleich zu heute.  Ob der Kohlebunker in den 60er Jahren noch stand, konnte ich nicht ermitteln aber auf dem Werksplan von 1955 war er noch drauf. Das nachfolgende Bild  zeigt das beschriebene nochmal im Ausschnitt:

 

Die Szene wäre sicher auch ein tolles Objekt für unsere Anlage, lässt sich aber in der jetzigen Phase nicht mehr einbringen. Es gibt aber noch weitere Details auf dem Bild zu sehen. Auf dem ganzen Werksgelände gab es scheinbar eine Loren-Hängebahn, die alle Bereiche die Schüttgüter zu transportieren hatten, miteinander verbunden. In Bildmitte unten sogar mit einer Kehrschleife, in der Bildmitte nach oben geht eine weitere Seilbahn zu einer Schlackenhalde oberhalb der B236.

 

Gehen wir die Details mal der Reihe nach durch. Als erstes der einsame G-Wagen im Gleisfeld

 Es handelt sich um einen G-Wagen der belgischen Staatsbahn, das Logo war bis vor wenigen Jahren noch im allgemeinen Gebrauch. Das Spitzdach kannte ich bisher nur von italienischen Wagen, aber nach Recherche handelt es sich um einen der am meisten gebauten G-Wagen in Belgien. Die Bremsecken zeigen, dass es nur ein reiner „Leitungswagen“ ist, d. h. es gibt eine durchgehende Bremsleitung, aber keine Bremsanlage. Das war zu der Zeit bei den meisten Wagen der Fall. Auch keine Handbremse ist vorhanden, sonst hätte der Wagen eine Bremserbühne. Man sieht, das Werk in Nachrodt hatte internationale Kontakte. Aber da gibt es noch mehr zu entdecken:

 Hinten rechts im Bild erkennt man wieder die Werksbahn, im Vordergrund die Hängebahn und dahinter eine schmalspurige Lorenbahn mit Diesellok. Ein Arbeiter geht gerade an den Loren vorbei, im Führerstand der kleinen Werkslok sitzt auch ein Fahrer. Ein weiteres Detail hilft die Zeit einzuordnen: Die Hüttenwerke wurden nach dem Ersten Weltkrieg in der Inflationszeit durch Zusammenschluss gegründet, so sollte in der schweren Zeit der Wettbewerb reduziert werden.

 

 

Rechts unten ist die „Talstation“ einer weiteren Seilbahn zu sehen, deren „Bergstation“ ebenfalls neben den Anschlussgleisen lag. Auf dem Gesamtbild erkennt man links mittig noch die Fördergerüste mit Schutzgittern über der Straße.  Wenn man nun den Plan der Gesamtanlage betrachtet dann erschließt sich ein Zusammenhang: (Der Plan passt nicht komplett auf eine Seite.)










Der Plan des Werkes zeigt, dass die Regelspurgleise auch zum betriebsinternen Verschub von Produkten und Produktionsmaterialien genutzt wurden. Die Gleise lagen fast bis zum Wasserkraftwerk zur Belieferung der Läger und Gießereien. Das hinter dem Wasserkraftwerk liegende Heizhaus 1  erhielt seine Kohleversorgung (und Schlackeabfuhr) über die Seilbahn vom o.g. Bunker mit Greifer. Kesselhaus 2 und alle Verarbeitungsstationen bis zum Versand haben ein Gleis.

 

 

Das heißt für uns, dass wir über den Werksanschluss sehr viele unterschiedliche Güterwagen auch aus dem Ausland  fahren können, was reichlich Betrieb im Güterbahnhof erzeugt. Neben Rungen und Flachwagen für Langgüter und Roh-Barren kommen O-Wagen mit Kohle für das Heizhaus 2, dazu Säuretopfwagen für das Salzbad und die Härterei, gedeckte Wagen fahren Fertigteile aber auch Maschinen und Ersatzteile für die Produktion. Im Zusammenhang erklärt das auch den gewaltigen Wagenpark, der 1935 im Bahnhof mit auf das Bild kam: (Ausschnitt, Quelle Kreisarchiv Altena)
Die Verschiebeloks des Werkes müssen wohl einiges zu tun gehabt haben. Gleichzeitig war auch Werksintern ein reger Klein-, Hänge- und Seilbahnbetrieb vorhanden, um alles zu transportieren.

Eine Vergrößerung zeigt, dass man die Werksbahn zuerst mit Dampfbetrieb in Bewegung hielt.

 


 

Dann habe ich hier noch ein Bild vom Kreisarchiv in Altena, das den Bau des Wasserkraftwerkes zeigt und nach 1900 zu datieren ist. Man sieht gut, dass das Baumaterial ebenfalls von der Werksbahn herangeschafft wird, die letzten Meter werden die Loren von Hand verschoben.


 

                                                                  

Die Strommasten der Kreisbahn lassen auf einen Zeitraum nach 1912 schließen. Ab 1914 war durch den Ersten Weltkrieg sicher kein Geld mehr für solche Investitionen.